Der E-Book-Markt in den USA boomt, in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist davon hingegen bislang wenig zu spüren. Dabei sind passende Geräte und Angebote auch hierzulande durchaus vorhanden. Die Hemmnisse liegen woanders.
An sich sind E-Books eine schöne Sache: Man kann sie spontan kaufen, (fast) egal, wo man sich gerade aufhält. Und man kann eine kleine Bibliothek in einem nur wenige hundert Gramm wiegenden, kompakten Gerät wie Amazons Kindle jederzeit dabei haben. Die Qualität der Reader und ihrer Displays hat sich in den vergangenen Jahren enorm verbessert, während ihre Preise zugleich erheblich gefallen sind. Die Auswahl ist groß. Hinzu kommen Tablets, die ebenfalls gern als Reader genutzt werden. Kurzum: An der Hardware f1 ird es nicht mehr scheitern.Vor allem Amazon mit seinem integrierten Konzept aus eigenem Reader, eigenem Shop und schließlich eigener Publishing-Lösung für jedermann konnte hier vergleichsweise früh Rekordzahlen veröffentlichen: Zum Weihnachtsgeschäft 2009 überholten dort E-Books erstmals die Umsätze der Hardcover-Printbücher.
In den USA ist inzwischen ein Boom bei E-Books zu beobachten. Nach jetzt veröffentlichten Zahlen haben sich dort die Umsätze mit digitalen Büchern im Jahr 2011 im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. E-Books machen demnach 15,5 Prozent der Umsätze der US-Verlage aus und haben nun nicht nur bei Amazon, sondern auch insgesamt Hardcover-Ausgaben überholt.
Zum Vergleich: In Deutschland hatten digitale Bücher im Jahr 2011 einen Anteil von einem Prozent am Gesamtmarkt. Auf ähnlich niedrigem Niveau bewegt man sich in Österreich. Und auch in der Schweiz kann die Handelskette Thalia trotz großem E-Book-Angebots beispielsweise kaum ein Prozent seines Umsatzes digital bestreiten.
Preise oftmals zu hoch
Aber woran liegt es? Ein Hemmnis des Erfolgs hierzulande ist die Preisgestaltung der Verlage bei E-Books. Oftmals sind digitale Ausgaben nur geringfügig billiger als ihre gedruckten Pendants. Kunden erwarten aber einen spürbaren Preisnachlass. Aus Sicht der Verlage ist das kaum denkbar, da Druck, Lagerung und Vertrieb eines Buches nur einen geringen Anteil an den Buchkosten haben. Die Gewinnspanne für den Händler, sowie beispielsweise die Kosten fürs Lektorat und am Ende auch das Autorenhonorar verändern sich hingegen nicht. Allerdings bewegt sich auch ein Kulturgut wie das Buch im Rahmen der freien Marktwirtschaft, deren Preise bekanntlich von Angebot und Nachfrage bestimmt werden. Reagieren die Verlage hier nicht auf die Wünsche der Kunden, droht ein ähnlich zäher und schmerzhafter Weg des Lernens wie bei der Musikindustrie. Auch bei E-Books können Interessenten schließlich auf inoffizielle und vor allem kostenlose Downloads im Netz zurückgreifen.
Darüber hinaus ist die Bewegungsfreiheit der Verlage zumindest in Deutschland und Österreich durch die Buchpreisbindung eingeschränkt. Sie sorgt dafür, dass Bücher für mindestens 18 Monate überall zum gleichen Preis verkauft werden müssen. Erst danach kann die Bindung aufgehoben werden. Insofern können sowohl Verlage als auch Händler nicht ohne Weiteres über Rabattaktionen und Sonderpreise den Umsatz ankurbeln. Gerade für E-Books aber ließen sich kreative Wege finden, diese Preisbindung zu umgehen, denn im Gegensatz zum gedruckten Buch könnte man recht schnell eine Sonderedition auf den Markt bringen. (Siehe zu diesem Punkt auch die Kommentare).
Altbackene Konzepte inkonsequent umgesetzt
Generell fällt auf, dass das Produkt “E-Book” bislang oftmals sehr ideenlos umgesetzt wird. Es ist in vielen Fällen nichts anderes als die digitale Version eines gedruckten Buchs. In der digitalen Welt könnten Verlage aber sehr viel mehr mit verschiedenen Formen experimentieren, wie beispielsweise Kapitel oder Abschnitte auch einzeln zum kleinen Preis anzubieten. Ein Fach- oder Sachbuch ließe sich laufend aktualisieren. Bücher könnten zunächst im Zusammenspiel mit Lesern online entstehen. Und von multimedialen Ansätzen brauchen wir gar nicht erst anzufangen. Derzeit wird die Digitalisierung noch zu oft als neuer Vertriebskanal für bekannte Inhalte angesehen – auch das ein Fehler, den man in anderen Branchen beobachten kann.
Aber nicht einmal diesen altbackenen Ansatz, Gedrucktes in digitaler Form ins Internet zu stellen, verfolgen die Verlage konsequent. Das Angebot an E-Books ist ein weiterer Knackpunkt. Die Digitalisierung bietet theoretisch die Chance, jedes jemals herausgegebene Buch vorzuhalten. Nach Recherchen des ORF boten aber beispielsweise 2011 nur 17 Prozent der österreichischen Verlage überhaupt E-Books an. 36 Prozent gaben in einer Befragung an, auch zukünftig keine digitalen Bücher produzieren zu wollen. Immerhin hatte Thalia in Österreich zu dem Zeitpunkt der Recherche 80 Prozent aller Bestseller auch elektronisch im Angebot. Ein großes Potenzial liegt aber gerade darin, vergriffene Bücher und Editionen wieder verfügbar zu machen. Wie so oft helfen sich die Nutzer selbst: In den üblichen Quellen im Netz finden sich auch solche Bücher digitalisiert, die gar nicht als E-Book vorliegen. Und schon haben E-Book-Kunden einen weiteren Grund, abseits der offiziellen Wege nach ihrem neuen Lesestoff zu suchen.
Rechtemanagement zu Lasten der Leser
Nicht zuletzt steht wie schon bei der Musik die Frage im Raum: Welche Rechte habe ich als Nutzer? Ein Kopierschutz verhindert heute vielfach, dass man digitale Bücher einfach verleihen kann. Von einem Verkauf “gebrauchter E-Books” ganz zu schweigen. Der Europäische Gerichtshof hat hier kürzlich ein interessantes Urteil in einem anderen Bereich gefällt: Den Verkauf von Download-Software zu verbieten, gehe über den Schutz des geistigen Eigentums hinaus. Man könne seine Software weiterverkaufen, ob man sie nun auf einem physischen Medium erworben habe oder nicht. Inwiefern sich dieses Urteil auch auf E-Books übertragen lässt, ist noch offen.
Marktbeobachter glauben dennoch an einen ähnlichen E-Book-Boom wie in den USA auch hierzulande. Die 15 Prozent Marktanteil dort werden in zwei bis drei Jahren hier erwartet. Und man kann sicher sein, dass die Nutzer zunehmend digitale Bücher für sich entdecken werden. Die Frage ist nur, ob Verlage und Händler daran verdienen und wenn ja, welche. Zum einen ist die Verlockung groß, sich Bücher aus illegalen Quellen zu besorgen. Und in vielen Fällen kann man auch auf die meist günstigeren englischsprachigen Ausgaben zurückgreifen – und dabei zugleich seine Fremdsprachenkenntnisse aufbessern.
P.S.: Der Artikel wurde angeregt durch diese Diskussion bei Google+.
SPONSOREN