Das Münchner Startup Doppeltext synchronisiert E-Books in der Originalsprache mit übersetzten Fassungen und will so die Zugänglichkeit von fremdsprachlicher Literatur verbessern.
Genau wie bei synchronisierten Filmen ein Teil der Original-Atmosphäre verloren geht, verändert sich auch bei übersetzter Literatur die Stimmungslage und Tonalität. So überspringen Übersetzer mitunter einzelne Sätze oder Wortgruppen, passen Inhalt an kulturelle Gegebenheiten an oder wählen Wörter, deren Bedeutung nicht exakt mit denen der ursprünglichen Begriffe übereinstimmt.
Es gibt also gute Gründe, bei Büchern das Original der übersetzten Version vorzuziehen. Dies allerdings erfordert ein gutes Verständnis der jeweiligen Sprache und eine akzeptable Lesegeschwindigkeit. Wer zu oft ins Stocken gerät und Wörter nachschlagen muss, läuft Gefahr, sich am Ende doch eher der ins Deutschen übersetzten Variante zuzuwenden.
Das Münchner Startup Doppeltext will allen an Originalliteratur Interessierten einen Weg bieten, ihr Bedürfnis zu stillen, ohne mit aus mangelnden Sprachkenntnissen resultierenden frustrierenden Erlebnissen umgehen zu müssen.
Die von dem Informatiker Igor Kogan und der gelernten Chordirigentin Tatiana Zelenska entwickelte Technologie für E-Books synchronisiert das Original eines Textes mit der übersetzten Fassung und erlaubt es, mit einem Klick auf unklare Formulierungen oder Sätze direkt die entsprechenden Übersetzungen anzuzeigen (ausprobieren lässt sich dies hier).
Rund 100 gemeinfreie Klassiker der Weltliteratur finden sich zum Start in zweisprachiger Form im E-Book-Shop von Doppeltext, von “Gulliver’s Travels”, über “Notre-Dame de Paris” bis zu “Don Quijote”. Sämtliche Titel können direkt im Browser gelesen werden und lassen sich auch über Smartphones, Tablets sowie den experimentellen Browser des Kindle 3 abrufen. Einen vollwertiger Offline-Modus existiert derzeit noch nicht (Amazons Kindle Cloud Reader zeigt, wie dies geht). Update: Auf ein bereits im Browser geöffnetes E-Book kann jedoch auch ohne Internetverbindung zugegriffen werden.
Die Eigenleistung von Doppeltext liegt in der Synchronisierung zwischen dem Original und der übersetzten Version. “Übersetzer können durchaus Satzteile vermischen oder einen Satz in zwei übersetzen. Unser Algorithmus erkennt dies”, beschreibt Gründer Kogan die Stärke des Systems. “Mit der Technologie können wir auch in ein paar Minuten erkennen, ob eine Übersetzung zu frei für uns ist und wie viele unübersetzte Textabschnitte es gibt.”
Bei Passagen des Originals, die in der Übersetzung fehlen, greifen Kogan und Zelenska händisch ein und ergänzen den übersetzten Text. Je nach Art und Länge der Übersetzung können sie einen Roman laut eigener Aussage in weniger als einem Tag zweisprachig aufbereiten.
Die Zielgruppe von Doppeltext sind sowohl Anhänger von Originalliteratur, die gerne im “Notfall” eine satzspezifische Übersetzung parat haben, sowie Personen, die eine Fremdsprache lernen, aus diesem Grund Bücher in einer anderen Sprache lesen, die aber keine Lust haben, laufend das Wörterbuch zu zücken.
Igor Kogan sieht in Doppeltext die Weiterentwicklung zweisprachiger Printbücher, die den Text auf der linken Seite auf Deutsch und auf der rechten Seite in der Originalsprache darstellen. Romane seien in diesem Format allerdings gar nicht verfügbar, zudem müsse das Auge große Distanzen überwinden, was letztlich dazu führt, dass man doch in der Muttersprache versinkt. Doppeltext behebt diese Schwächen zweisprachiger Printliteratur.
In Kürze plant das Doppeltext-Gründerduo, das den Aufbau ihres Startups aus eigenen Mitteln finanziert hat, Kontakt mit Verlagen aufzunehmen, um bald auch aktuelle Belletristik zweisprachig anbieten zu können. Zuerst wollen die Zwei aber sehen, wie die Plattform funktioniert und wie die Reaktionen der ersten Nutzer ausfallen.
Zweisprachige E-Books kosten bei Doppeltext abhängig von ihrer Länge zwischen 1,90 Euro und rund 10 Euro. Im Angebot finden sich bisher Titel auf Englisch, Französisch, Russisch und Spanisch – jeweils synchronisiert mit der deutschen Übersetzung. Vorgesehen ist für die nahe Zukunft auch eine US-Version, bei der in nichtamerikanischer Originalliteratur geblättert und bei Bedarf auf die englischsprachige Synchronisierung zugegriffen werden kann.
Für den Fall, dass Doppeltext eines Tages nicht mehr existieren sollte, versprechen die Macher auf ihrer Hilfeseite, dass alle gekauften Werke weiterhin zur Verfügung stehen werden.
Dass Bücher in der Originalsprache ein ideales Werkzeug sind, um eine Fremdsprache zu erlernen, weiß ich aus eigener Erfahrung. Doppeltext bedient zweifellos eine Nachfrage. Offen ist jedoch, ob die Technologie nicht unter dem Dach eines existierenden E-Book-Anbieters besser aufgehoben wäre. Dann könnten sich die zwei Doppeltext-Gründer auf ihre Technologie fokussieren, statt ihre Zeit mit den anstrengenden Verhandlungen mit den Verlagen zu verschwenden.
Link: Doppeltext
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