Kaum ein Startup zeigt sich bei der Suche nach dem idealen Erfolgsrezept so ausdauernd wie PaperC. Doch noch immer fehlt der Berliner E-Book-Plattform für Fachliteratur etwas, um durchstarten zu können.
Vor viereinhalb Jahren berichteten wir das erste Mal über das Berliner Startup PaperC, das sich der unkomplizierten Bereitstellung von digitalen Fachbüchern verschrieben hat. Seitdem brachte das Unternehmen um Gründer und CEO Martin Fröhlich mehrfache Transformationen hinter sich. Funktionalität, Geschäftsmodell, Preismodell und die technische Umsetzung wurden im Laufe der Zeit in unterschiedlichem Maße verändert. Richtig rund lief es lange nicht, doch die Hauptstädter zeigten einen Durchhaltewillen, den man bei Jungfirmen im Onlinebereich lange suchen muss. Und deshalb existiert PaperC heute noch. Und – glaubt man den Machern – so hat man endlich ein Stadium erreicht, mit dem man sich “für eine erfolgreiche Zukunft gut gerüstet” sieht.
Umzug auf neue Plattform abgeschlossen
Der umständliche konzeptionelle Umbau der Site, der mit einem Umzug von der Domain paperc.de zu paperc.com einherging und deutlich länger dauerte als ursprünglich geplant, ist weitgehend abgeschlossen. Die alte Plattform steht zwar noch im Netz, ein Registrierung ist dort aber nicht mehr möglich. Das neue Angebot kann seit Sommer 2013 von allen Usern genutzt werden. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger ist es in HTML5 programmiert und damit für mobile Geräte optimiert, außerdem kommt für die Darstellung von Büchern das epub-Format anstelle von PDF zum Einsatz. Statt dem ursprünglichen Plan einer E-Book-Flatrate setzt PaperC nun auf einen Mix aus einigen kostenfrei angebotenen E-Books, dem zeitlich begrenzten Mieten von themenspezifischen Bücher-Zusammenstellungen, sogenannten “Bundles”, sowie dem Kauf von E-Books. Außerdem können von jedem Titel die ersten zehn Prozent kostenfrei gelesen werden.
120.000 E-Books von 800 Verlagen
Das Angebot an E-Books ist mittlerweile ordentlich: 120.000 Titel von 800 renommierten nationalen und internationalen Verlagen stehen zum Abruf bereit. Noch handelt es sich dabei ausschließlich um Fachbücher. Laut Pressesprecher Martin Bogun plant das Unternehmen aber die Erweiterung um Belletristiktitel, Bilder und Medieninhalte. Ziel der Berliner ist es, den bislang komplizierten Prozess des Wissenserwerbs radikal zu vereinfachen. Nicht nur Fachbücher sondern auch themenverwandte andere Inhalte anzubieten, soll helfen, Nutzern dieses Versprechen zu erfüllen.
Der Optimismus, den die Hauptstädter in ihrer jüngsten Meldung versprühen, ist nachvollziehbar. Immerhin sind langwierige Umbaumaßnahmen energieraubend, besonders wenn gleichzeitig Verhandlungen mit Verlagen zu führen sind und das Geld im Auge behalten werden muss. Zur Finanzlage gibt Bogun an, dass das Unternehmen über einen “stabilen Kreis von Geldgebern” verfüge, mit “denen die Finanzierung sichergestellt werden kann”. Die letzte bekannte Finanzierungsrunde in Höhe von 150.000 Euro fand im Herbst 2012 statt. Dank des Miet- und Kaufmodels verfügt das Startup nun über solide Erlösquellen. Ob das Startup dadurch dem wichtigen Break-Even nahe kommt, hängt davon ab, wie viele User das Angebot aktiv verwenden. Rund 40.000 Nutzer sind zur Zeit bei PaperC registriert. Mit anvisierten Marketingaktionen, die demnächst beginnen werden, soll diese Zahl schnell erhöht werden.
Website mit einigen Schwächen
Schon aufgrund des Kämpferwillens von Gründer Martin Fröhlich und seinem Team, aber auch wegen des sinnvollen Ziels, Studenten und Wissenschaftlern einen einfachen Zugang zu Know-how zu geben, gönne ich PaperC Erfolg. Dennoch wirkt es auf mich, als besitze der Service trotz langer Vorbereitungszeit noch immer eine Reihe von Schwachstellen. Das neue Preismodell ist komplex und sorgt dafür, dass man als erstmaliger Besucher nicht genau weiß, was man nach einer Registrierung eigentlich bekommt. Beispielsweise wird auf der Homepage angekündigt, dass man auch einzelne Kapitel erwerben könne. Diese Funktion scheint jedoch nicht vorhanden zu sein. Auch wird nirgends deutlich erklärt, ob man gekaufte E-Books außerhalb von PaperC nutzen darf. Statt übersichtlicher FAQs oder einer verständlichen Schritt-für-Schritt-Anleitung existiert lediglich ein zufällig zusammengewürfelt wirkender, englischsprachige und deutschsprachige Einträge vermischender Fragenkatalog. Auch sonst wechseln sich Englisch und Deutsch auf der Site ab. Nach dem erstmaligen Login präsentiert sich Usern nicht etwa eine lebhafte Homepage mit Lesevorschlägen, sondern die persönliche Bibliothek mit dem auf einer riesigen Weißfläche abgebildeten Hinweis, dass es darin derzeit keine Bücher gebe. Im E-Book-Store, in dem sich die Bundles und Kauftitel befinden, fehlen Filter- und Sortiermöglichkeiten, die einem etwa das Stöbern nach unterschiedlichen Fachbereichen oder Interessengebieten ermöglichen. Mein Anwendername wird als “martinweigertdeda27cd299e4a68″ dargestellt. Kurzum: Die Usability weist noch deutliche Mängel auf, die Site wirkt an einigen Stelle wie eine unfertige Baustelle.
Die gute Nachricht: Es handelt sich bei diesen Schwächen um kosmetische Dinge, die sich relativ schnell beheben lassen. Die schlechte: Die teilweise gleichen Kritikpunkte hatte ich bereits im Oktober 2009 geäußert. Dass nach so vielen Jahren des Bestehens und einer derartig langen Vorbereitungszeit für PaperC.com solche Anfängerfehler gemacht werden, die großes Potenzial bei der Konversion von Erstbesuchern in zahlende Nutzer verschenken, verblüfft mich. Sofern die Berliner tatsächlich noch die Früchte ihrer harten Arbeit ernten und ihrer Selbstbeschreibung als “Fachbuchplattform, die Konkurrenten schlägt” gerecht werden wollen, sollten sie endlich damit beginnen, etwas mehr Detailliebe für ihre Website und Verständnis für die (bewussten und unbewussten) Bedürfnisse der Anwender zu entwickeln. Diese Aspekte sind bei einem browserbasierten Dienst mehr als nur Nebensächlichkeiten. /mw
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