Der Berliner E-Book-Shop txtr erweitert seine iOS-Apps um ein soziales Netzwerk zum Teilen und Entdecken von Büchern. Dies hat Potenzial.
Jedes Jahr lese ich eine ausgesuchte Zahl an Fachbüchern. Gefallen sie mir, möchte ich sie gerne weiterempfehlen. Doch bisher fehlte mir dafür ein geeignetes Onlinetool. Einstmals nutzte ich GetGlue zum “Einchecken” in Bücher. Doch das Medium Buch wurde dort mittlerweile entfernt, zudem wirkte die Anwendung ohnehin nie wirklich ideal. Es existieren diverse andere Check-In-Apps für Medien, doch so richtig überzeugend sind alle nicht. Der Berliner E-Book-Shop txtr hat mit txtr Feed jetzt eine Erweiterung seiner iOS-Applikation vorgestellt, die mich hoffen lässt, dass mein Wunsch doch noch in Erfüllung geht.
txtr bezeichnet sich als “Europas führender E-Book Store”. Das 2008 gegründete Unternehmen vertreibt laut eigenen Angaben mehr als eine Million Titel und machte zuletzt mit einem Billig-E-Reader von sich reden. Die aktuelle Neuerung hat mit diesem jedoch nichts zu tun. Bei txtr Feed handelt es sich um einen persönlichen Stream zum Teilen und Entdecken gelesener beziehungsweise zu lesender Lektüre.
Das neue Feed-Feature ist Teil der aktualisierten iPhone- und iPad-App und vorläufig nicht in der Android- und Windows-8-App des Startups enthalten. Um es in Anspruch nehmen zu können, müssen User beim Anmelden den deutschen oder englischen txtr-Store auswählen. Anschließend finden sie den Feed in der linken Navigationsleiste unter dem entsprechenden Menüpunkt. Der txtr-Feed setzt auf das bewährte Follower-Prinzip. Über den Plus-Button können Nutzer einzelne Titel zu ihrem Feed hinzufügen. Zur Wahl stehen dabei die drei Sammlungen “bereits gelesen”, “lese gerade” oder “möchte ich lese”. Andere txtr-User können meinen Feed abonnieren und sich auf diese Weise inspirieren lassen. Alle Stream-Einträge lassen sich kommentieren und favorisieren. Auf den Anwenderprofilen kann eingesehen werden, welche Titel sie in den drei Sammlungen abgelegt haben. Diese Liste lässt sich auch für den simplen Zweck verwenden, für sich selbst eine Übersicht der zuletzt verschlungenen Werke anzufertigen und nicht aus den Augen zu verlieren, worin man als nächstes Schmökern möchte.
Ich sehe in txtrs neuen sozialen Features einiges an Potenzial. Nicht nur für User, sondern auch für das Berliner Unternehmen. Denn die Bücher lassen sich innerhalb der Anwendung auf eine Wunschliste legen. Auf txtrs Website können sie dann aus dem Mitgliederbereich heraus gekauft werden. Der txtr Feed könnte sich bei entsprechender Akzeptanz seitens der User zu einem mächtigen Umsatztreiber für den Dienst entwickeln. Das Wunschlisten-Verfahren ist eine geschickte Lösung, um sich die 30-prozentige Umsatzbeteiligung zu ersparen, die Apple bei einem Direktverkauf über die iOS-App beanspruchen würde. Auch wenn der Umweg über die Website ür Kaufinteressenten mit mehr Aufwand verbunden ist, fühlt er sich relativ “natürlich” an.
Ganz ausgereift ist txtr Feed in seiner aktuellen Form allerdings nicht. Kritische Features fehlen. So existiert schlicht keine Möglichkeit, andere Personen aus dem eigenen Online-Kontaktnetzwerk gezielt bei txtr zu finden. Oder ich habe sie übersehen, in diesem Fall ist sie gekonnt versteckt. Damit bleibt derzeit lediglich ein öffentlicher Feed, um User zu abonnieren. txtr ruft in seiner Präsentation dazu auf, “Freunden, Bloggern sowie Verlagen” zu folgen – ein wirklich sinnvoller Ratschlag, nur in der Praxis nahezu unmöglich. Kontaktabgleiche mit anderen sozialen Netzwerken, vorrangig Twitter, sind unabdinglich. Etwas enttäuscht war ich zudem darüber, dass txtr lediglich Bücher kennt, die über den Shop verkauft werden. Aus Sicht des Unternehmens mag dies selbstverständlich erscheinen. Für mich ist ein Dienst wie txtr Feed jedoch relativ nutzlos, wenn ich bei jedem zweiten Buch, welches ich in meine “gelesen”-Sammlung eintragen und damit weiterempfehlen möchte, in der Datenbank nicht fündig werde.
Ich hoffe, dass txtr bald auch Werke indexiert und verfügbar macht, die bislang nicht über die Website verkauft werden. Auffallen würde dies ohnehin nur denen, die einen solchen Titel auf ihre Wunschliste legen. Hier könnte txtr im Mitgliederbereich der Website darüber informieren, dass das jeweilige E-Book bislang nicht angeboten wird, Usern aber die Möglichkeit einer Benachrichtigung geben, falls sich dies ändert. Derartige Wunschlisten-Einträge ließen sich von der Berliner Firma auch als Gradmesser für die Popularität einzelner Titel werten, wodurch sie ein Verständnis dafür erhält, welche Bücher sie unbedingt in ihr Sortiment aufnehmen sollte.
Man merkt txtr Feed an, dass es sich um einen Testballon mit relativ geringem Entwicklungsbudget handelt. Diese Vorsicht ist nachvollziehbar, hat das Unternehmen doch in der Vergangenheit mit Community-Ambitionen keine guten Erfahrungen gemacht. Doch der neue Versuch passt nicht nur ideal zum existierenden Store-Konzept, sondern füllt meines Erachtens nach auch eine Lücke, die bisher weitgehend vernachlässigt wurde: mobiles Teilen und Entdecken von Büchern in einer auf das wesentliche beschränkten “handlichen” App, die einen anders als Amazons aufgekauftes Social-Reading-Netzwerk Goodreads nicht mit Funktionen erschlägt und nicht unsinnigerweise auf einem synchronen “Freundes”-Konzept basiert.
Mal sehen, was die Berliner daraus machen! Zuerst einmal das Abonnieren anderer User zu erleichtern, wäre ein guter Anfang.
Link: txtr Feed
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